Early Television

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Motorola VT-71

Schwarzweiß-Fernsehen:

Dokumentation: Motorola VT-71 "Golden View"
(VT-71M-A, VT-71MB-A, VT-73)

Baujahr: 1948

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Motorola VT-71


Während Deutschland nach dem Kriege noch in Schutt und Asche lag, die Menschen nicht wussten, wie sie den nächsten Winter überleben konnten, und das Geld kaum reichte für die wichtigsten Lebensmittel, schritt die technische Entwicklung ungebrochen in den Vereinigten Staaten voran und erreichte einen Standard, der sich erst zehn Jahre später in Deutschland durchsetzte. 1947 kam das erste Fernsehgerät von Motorola, das Golden View Modell VT71 auf den U.S.-amerikanischen Markt. Es war zugleich auch das erste Fernsehgerät, das weniger als 200 Dollar kostete. Innerhalb eines Jahres verkaufte das Unternehmen die für damalige Verhältnisse hohe Stückzahl von mehr als 100.000 Geräten. Damit gelang dem Fernsehen nach zahlreichen vergeblichen Anläufen in der Vergangenheit der Durchbruch zu einem Massenmedium. Im Juli 1948 waren bereits ca. 350.000 Fernseher in Betrieb. Acht Programme gleichzeitig mit je ca. 42 Stunden Programm pro Woche konnten empfangen werden, und im Durchschnitt lief ein Fernseher 17 Stunden in der Woche und zwischen drei und vier Personen saßen vor einem Gerät. Der Motorola "Golden View" braucht als Netzspannung 110 Volt Wechselstrom. Die Bild-Zwischenfrequenz beträgt 22 MHz, die Ton-ZF liegt bei 27 MHz. In der amerikanischen Originalversion arbeitet der Empfänger mit 15,734 kHz, 525 Zeilen pro Bild und 30 Bildwechseln pro Sekunde. Die Videobandbreite an der Bildröhrenkathode liegt bei ca. 3 MHz.

Motorola VT-71, 1947 Motorola VT-71, 1947

Bei dem hier dokumentierten Gerät handelt es sich um die Chassis-Type TS-4D, Nr. 16368 vom 17. März 1948, das wenige Tage vor der Berlin-Blockade produziert wurde, als amerikanische Flugzeuge (die sogenannten "Rosinenbomber") die Berliner Bevölkerung über eine Luftbrücke mit den wichtigsten Lebensmitteln versorgten. Harry S. Truman war 33. U.S.-amerikanischer Präsident. Und die drei Siegermächte bereiteten in Westdeutschland die Währungsreform vor. Während man in den USA zu dieser Zeit in den größeren Ballungsräumen bereits über mehrere Fernsehprogramme verfügte, begann man in Deutschland gerade erst, den Mittelwellen- und Kurzwellen-Hörfunk nach dem Kriege wieder aufzubauen. An Fernsehen war hier damals noch gar nicht zu denken.
Links im Bild ist das Chassis von unten. Deutlich ist erkennbar, dass dieses Gerät schon mehrere Restaurationen zu verschiedenen Zeiten erfahren hat. Original sind noch weitgehend die Drähte mit Stoffummantelung. Ebenso die niedrigwertigen Kondensatoren. Die schwarzen Kunststoffkondensatoren wurden m.E. bei einer Restauration in den 70er Jahren eingelötet. Die weißen Hochspannungskondensatoren und die Elkos habe ich eingelötet, ebenso einige hochohmige Widerstände. Für die Elkos habe ich eine Lötleiste angebracht, an der sie befestigt werden konnten. Ebenso habe ich den Selengleichrichter durch moderne Gleichrichterdioden ersetzt. Rechts im Bild: der Apparat von vorn. Die Kunststoff-Front wies einige störende Kratzer, gerade vor dem Bildschirm, auf. Diese wurden nicht mit einem Plexiglas-Stift oder Acryl-Lack beseitigt, sondern mit herkömmlicher Scheuerpaste, wie sie auch zum Wegpolieren von Kratzern im Autolack verwendet wird. Bei lösungsmittelhaltigen Acryl-Lacken besteht die Gefahr, dass die Kuststoffoberfläche hinterher austrocknet und rissig wird.

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Links die Hochspannungserzeugung, rechts das Chassis (hier mit Beschreibung). Der Apparat ist recht einfach und solide aufgebaut. Der Empfangsbereich umfasst VHF mit amerikanischer Kanaleinteilung. Insgesamt können 13 verschiedene Kanäle empfangen werden, geschaltet sind in diesem Empfänger jedoch nur acht Kanäle [ Schaltbild ]. Als Besonderheit verfügt der Apparat noch über den 1946 wieder neu festgelegten Channel 1. Dieser wurde jedoch nie für Fernsehzwecke benutzt, da er im früheren UKW-Rundfunkband liegt, das ab 1945 auf den Bereich zwischen 88 MHz bis 108 MHz verschoben wurde, und einige Radiostationen immer noch im Channel 1-Band ihre Hörfunkprogramme ausstrahlten. Der Apparat verfügt über drei ZF-Kreise [ Schaltbild ], die Ton-ZF wird als Intercarrier (Differenztonverfahren) gewonnen [ Schaltbild ]. Die Bildablenkung geschah elektrostatisch [ Schaltbild ], und die Hochspannung (ca. 6000 Volt) wurde aus einem separaten Hochfrequenzoszillator [ Schaltbild ] gewonnen (noch nicht durch den Zeilenrückschlagimpuls wie in Apparaten mit magnetischer Bildablenkung). Um die Hochspannungsgleichrichterröhre ist ein Drahtring angebracht, der den Rückkopplungsimpuls abnimmt und dem ersten Gitter der Oszillatorröhre zuleitet. (Auf dem Photo links sitzt er zu niedrig.) Zeilentrafo, Netztrafo und Vertikal-Ausgangsübertrager gibt es bei diesem Gerät noch nicht.
Der Apparat war in einem recht guten Zustand, als ich ihn aus Springfield, U.S.A., erhielt. Allerdings waren die Röhren teilweise falsch eingesetzt oder sogar ganz andere Typen verwendet worden, z.B. eine 12SN7GT für eine 6SQ7. In der Balaströhre war ein Widerstand durchgebrannt, und am Bildröhrensockel war ein Draht lose.

Motorola VT-71, 1947 Motorola VT-71, 1947

Das Gerät besitzt eine Rundkolbenbildröhre (7JP4). Der runde Bildschirm war in den USA zu dieser Zeit und auch später bei den größeren Bildröhren mit magnetischer Ablenkung bis weit in die 60er Jahre hinein gebräuchlich, ehe er durch die Rechteck-Bildschirme abgelöst wurde, welcher in Deutschland schon seit der unmittelbaren Vorkriegszeit verwendet wurde. Der Bildschirm dieser Bildröhre ist mit 7 Zoll (ca. 17,9 cm.) angegeben, die nutzbare Bildfläche betrug jedoch nur ca. 6 Zoll (15,5 cm.). Der Ablenkwinkel beträgt ca. 40 Grad. Zwischen Bildschirm und Frontscheibe befindet sich eine Art Schaumgummidichtung, die normalerweise nach mehreren Jahrzehnten zerfällt. Diese hier ist noch in einem erstaunlich gutem Zustand. In der dokumentation der Bildröhre wird diese mit "Null Anodenstrom" ("A feature of this tube is the zero-first-anode-current electron gun.") angegeben. Sie hat in der Tat keine reguläre Anode und keinen Anodenanschluss, und der Hochspannungsverbrauch dieser Bildröhre ist so gering, dass er fast zu vernachlässigen ist (max. 10 Mikro-Ampére - heutige Farbbildröhren verbrauchen fast das tausendfache). Als ich das Gerät erhielt, war es noch nicht betriebsfähig. Ein Hochlastwiderstand in der Balaströhre war defekt, statt einer 6SQ7 steckte eine 12SN7GT in der Fassung, der HF-Vorverstärker 6AG5 hatte Luft gezogen. Der alte Selengleichrichter hing unverbunden unter dem Chassis und zahlreiche alte Papier- und Wachspapierkondensatoren wiesen Leckströme aus.

Motorola VT-71, 1947 Motorola VT-71, 1947 Für die Restauration begann ich mit dem Netzteil [ Schaltbild ]. Der Selengleichrichter wurde durch moderne Siliziumdioden ersetzt. Für diese und für die Siebelkos wurde unter dem Chassis eine Lötleiste angebracht. Die alten Elkos wurden abgeklemmt, aber auf dem Chassis belassen. Für eine erste Inbetriebnahme wurden die Röhren gezogen und der Netzstecker an eine 90-Volt-Anodenbatterie angeschlossen. Mit ca. 50 mA befand sich der Ladestrom im Rahmen dessen, was erwartet werden konnte. Kein Kurzschlus. Links: Der Leuchtbelag des Bildschirms ist noch nicht metallisiert. Mit etwas Geschick gelingt es einem, bei ausgebauter Bildröre während des Betriebes von der Seite hinter den Bildschirm zu schauen und sozusagen das Bild von hinten zu betrachten. Rechts: die ausgebauten und ersetzten Bauteile.
Motorola VT-71, 1947 Motorola VT-71, 1947

Nachdem sichergestellt war, dass hier in der Gleichspannungsversorgung kein Fehler mehr war, begann ich mit der Widerherstellung des Heizkreises. Eine Messung der Einzelwiderstände in der Balaströhre zeigte, dass der Wert des 22-Ohm-Heizkreiswiderstandes gegen Masse auf ca. 13 Ohm gefallen war. Nachdem der Widerstand zunächst provisorisch ersetzt wurde, schaltete ich den Apparat das erste Mal ein. Alle Spannungen waren vorhanden bis auf die Hochspannung. Eine Untersuchung der Hochspannungsteils ergab, dass der Drahtring für die Oszillator-Rückkopplung auf der Hochspannungs-Gleichrichterröhre zu tief saß. Als ich ihn etwas höher verschob und den Apparat wieder einschaltete, stieg die Anspannung ins Unerträgliche. Würde der Apparat ein Lebenszeichen von sich geben? Würde die Bildröhre nach über fünf Jahrzehnten noch ein erkennbares Bild liefern? Was, wenn einer der alten Elkos unvermittelt platzt und abraucht? Trotz alledem: die Überraschung war perfekt: der Bildschirm leuchtete auf, und "Schnee" war zu erkennen. Mit ein wenig Feintuning am UHF-Konverter war schnell ein stehendes Bild zu sehen. Die Balaströhre wurde durch eine solide Hochlastwiderstand-Konstruktion ersetzt, die ich mir von Philip I. Nelson abgeschaut habe. Das entspricht nicht den strengen Richtlinien, nach denen z.B. die Early Television Foundation Restaurationen vornimmt (dort werden nur Originalbauteile oder nachgebaute Originalbauteile verwendet). Für spätere Restaurateure sollten daher die ausgebauten Altbauteile aufgehoben werden. Da in Deutschland die Original-Widerstandswerte (200 Ohm, 2mal 105 Ohm, 22 Ohm und 37 Ohm) nicht erhältlich waren, musste ich mir die Widerstandswerte zusammensetzen (z.B. 100 Ohm und 4,7 Ohm). Verwendet wurden 25-Watt- Hochlastwiderstände, die auf eine Kupferplatte zwecks besserer Kühlung montiert wurden.

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Rechts im Bild: das ausgebaute Chassis mit Bildröhre in Funktion. Links im Bild der Apparat erstmals wieder in Betrieb im Oktober 2004, nachdem die Kondensatoren ausgewechselt und der Rückkopplungsring um die Hochspannungsgleichrichterröhre neu justiert wurde. Mit etwas Fingerspitzengefühl ließ sich das Gerät auf die europäische Norm mit 15,625 kHz, 25 Bildwechseln und 5,5 MHz Ton-ZF einstellen. Der Ton war allerdings stark verbrummt. In den folgenden Wochen fanden "Probeläufe" statt, in denen ich den Apparat zwischen ein bis zwei Stunden am Stück laufen ließ Schon bald kam es zu einem Bildausfall. Die Fehlersuche ergab einen defekten Hochspannungskondensator in der Vertikalablenkung (C-59), den ich ersetzte. Eine Überprüfung der Widerstände R-59 und R-60 (beide 4,7 MOhm) ergab, dass ihr Widerstandswert stark angestiegen war. Auch diese wurden im gleichen Zuge mit ersetzt. Weitere Probeläufe (immer unter Beobachtung) folgten. Bei diesem Fernseher handelt es sich um eines der ältesten Geräte in Deutschland, das in der Lage ist, heutige Fernsehprogramme ohne Normenwandlung wiederzugeben.Ich selbst habe mittels UHF-Konverter DVB-T Empfang eingespeist. Auf die Dauer ist es aber sinnvoller, eine Normenwandlung nach NTSC durchzuführen. Die Durchlasskurve des ZF-Verstärkers ist enger als bei deutschen Geräten nach CCIR-Norm, und der Tonträger kommt nur stark unterdrückt an. Für die Normenwandlung wird das deutsche FBAS-Signal in einen PAL/NTSC Videokonverter eingespeist, wie er für ca. 30 EUR in Grossbritannien erhätlich ist. Das konvertierte Videosignal (mit 3,58 MHz Farbhilfsträger, der hier nicht gebraucht wird) und das Audiosignal werden anschließend in einen U.S.-amerikanischen RF-Modulator eingepeist, der dann das HF-Signal mit korrektem Videosignalpegel und Tonträgerabstand ausgibt. Wenn der RF-Modulator einen VHF-Ausgang für Channel 2 oder 3 hat, kann auch auf einen UHF-Konverter verzichtet werden.

Schaltplan

 

Röhren

4mal 6AG5, 2mal 6AU6, 2mal 12SN7GT, 2mal 25L6GT, 12AT7, 6SQ7, 6AL5, 6SL7GT, 1B3GT, 7JP4.

Warnung: Diese Webseite bietet Ihnen einen Einblick in das Innere des Gerätes. Beachten Sie bitte, dass die Entfernung von Rückwänden und Abdeckungen nur dem Fachmann vorbehalten ist. Das gilt besonders, wenn das Gerät eingesteckt ist, in Betrieb ist oder unter elektrischer Spannung steht. Verbrennungen oder gar tödliche Stromschläge können die Folge sein! Aber auch bei Netztrennung besteht die Gefahr, dass bei unsachgemäßer Vorgehensweise bösartige Stromschläge geschehen können. Insbesondere die Bildröhre und die mit ihr verbundenen Baugruppen können noch Stunden oder Tage nach der letzten Inbetriebnahme weit über 10.000 Volt Hochspannung führen. Der Autor lehnt jede Haftung für Verletzungen und Schäden, resultierend aus den hier gegebenen Informationen ab und weist ausdrücklich darauf hin, dass für den Unkundigen vor dem Öffnen von Geräten Fachleute wie Elektriker oder Elektrotechniker befragt werden müssen.

Photos: © Eckhard Etzold, 2004.

Links:



Motorola Model VT-73 (VT-71) "Golden View" Television (1948) mit vielen Tipps für die Restauration dieser Geräte
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Stand: 24. Oktober 2004,